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Nachbar Raubtier: Wolf und Luchs in der Ortenau

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Wolf und Luchs kehrten 2015 in die Ortenau zurück. Um die einst ausgerotteten Raubtiere ist jetzt ein Kulturkampf entbrannt: Jäger und Schäfer, Naturschützer und Lokalpolitiker diskutieren, wie mit den Tieren umgegangen werden soll. Auch die Bevölkerung ist gespalten: Städter freuen sich, die Landbevölkerung ist vielfach skeptisch. Welche Konsequenzen hat die Rückkehr für Mensch und Natur in der Ortenau?
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Im Juni 2015 wurde innerhalb kurzer Zeit die Rückkehr eines Wolfs und eines Luchses in die Ortenau bekannt. Woher kamen die Tiere? Und warum?
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Der bei Lahr tot aufgefundene Wolf stammte aus der Schweiz. (Karte: FVA Freiburg)
Der bei Lahr tot aufgefundene Wolf stammte aus der Schweiz. (Karte: FVA Freiburg)
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Im Mai 2015 titelte die Mittelbadische Presse: "Die Ortenau wartet auf den Wolf". Recherchen hatten gezeigt, dass die im 19. Jahrhundert ausgerotteten Raubtiere auf dem Weg in die Region waren. Schließlich gilt Baden-Württemberg als "Wolfserwartungsland". Wölfe leben bereits seit mehreren Jahren in der direkten Nachbarschaft.

Die Raubtiere konnten immer und überall auftauchen - und das aus zwei Richtungen: Zum einen aus dem Elsass und der Schweiz, zum anderen aus Nord- und Ostdeutschland. Vorsorglich hat das Land Baden-Württemberg zusammen mit Naturschutzverbänden, Landwirten, Jägern und Wissenschaftlern einen Handlungsleitfaden entwickelt. Darin ist festgelegt was passiert, sollte im "Ländle" ein Wolf gesichtet werden.

Wolfsfund schreckt die Ortenau auf

Dann die Überraschung: Am späten Nachmittag des 22. Juni entdeckten Arbeiter der Straßenmeisterei einen Tierkadaver am Rand der A5 südwestlich von Lahr. Wildbiologen waren sich rasch sicher: Es handelt sich um einen jungen Wolfsrüden.

Letzte Gewissheit lieferten genetische Untersuchungen des Forschungsinstituts Senckenberg im hessischen Gelnhausen. Jetzt war es offiziell: Nach 130 Jahren war der Wolf zurück in der Ortenau, zumindest kurzzeitig. Der Fund schreckte die Menschen in der Region auf. Viele Naturschützer waren außer sich vor Freude, während Schäfer schwere Bedenken äußerten. Der Startschuss für eine bis heute anhaltende Diskussion war damit gefallen.

Der "Lahrer Wolf" war ein Schweizer

Weitere Untersuchungen des DNA-Materials durch das Laboratorium für Naturschutzbiologie der Universität Lausanne haben ergeben, dass der "Lahrer Wolf" aus der Schweiz kam. Er stammte aus einem Rudel im Calandagebiet bei Chur, 200 Kilometer Luftlinie von der Ortenau entfernt (siehe Karte). "M53" war sein wissenschaftlicher Name.

Die Überreste des "Lahrer Wolfs" sollen jetzt im Naturkundemuseum in Karlsruhe ausgestellt werden.
Der bei Lahr tot aufgefundene Wolf stammte aus der Schweiz. (Karte: FVA Freiburg)
Der bei Lahr tot aufgefundene Wolf stammte aus der Schweiz. (Karte: FVA Freiburg)
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Junge Luchse legen weite Strecken zurück - so wie "Friedl" aus dem Elztal südlich der Ortenau, der bis vor die Tore Ulms lief. (Karte: FVA Freiburg)
Junge Luchse legen weite Strecken zurück - so wie "Friedl" aus dem Elztal südlich der Ortenau, der bis vor die Tore Ulms lief. (Karte: FVA Freiburg)
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Im selben Jahr wie der Wolf tauchte auch der Luchs (Symbolbild) wieder in der Ortenau auf. Die Raubkatze war seit der Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Mittleren Schwarzwald verschwunden.

Der zugewanderte Luchs wurde zweimal von einer Wildtierkamera fotografiert: im Februar 2015 im Gutachtal und im Juni in der Nähe von Hausach. Dass es sich um dasselbe Tier handelt, konnten Wildbiologen anhand der Fellzeichnung belegen. Die Experten gehen davon aus, dass der Luchs ursprünglich aus dem Schweizer Jura stammt.

Das Jungtier sucht demnach ein eigenes Revier - und ein Weibchen. Findet es dieses nicht, wandert es wieder in andere Gegenden ab. Jetzt soll der Luchs mit einem Sender ausgestattet werden. So könnten Fachleute die Bewegungen der Raubkatze nachvollziehen.

Elztal-Luchs lief bis nach Ulm

Wahrscheinlich waren Luchse schon seit einigen Jahren weitgehend unbemerkt in den Wäldern der Ortenau unterwegs. Das berichtet etwa Kreisjägermeister Georg Schilli: "Der Luchs ist schon länger da. Ich habe vor drei oder vier Jahren im Kinzigtal entsprechende Spuren im Schnee entdeckt."

Sicher belegt ist, dass 2015 insgesamt drei Luchse durch den Schwarzwald streiften. Einer von ihnen ist "Friedl", der im Elztal südlich der Ortenau gesichtet wurde. Wildbiologen haben ihn im Frühjahr mit einem Sender versehen, mit dem sich seither die Wanderbewegung des Tiers nachvollziehen lässt. Das Ergebnis: Der besenderte Luchs hat sich vom Mittleren Schwarzwald aus auf eine Tour bis nach Ulm und Stuttgart begeben (siehe Karte).

Eine Frage bleibt: Warum kehren die einst ausgerotteten Raubtiere zurück in die Ortenau? Finden sie bei uns überhaupt noch, was sie zum Leben brauchen?
Junge Luchse legen weite Strecken zurück - so wie "Friedl" aus dem Elztal südlich der Ortenau, der bis vor die Tore Ulms lief. (Karte: FVA Freiburg)
Junge Luchse legen weite Strecken zurück - so wie "Friedl" aus dem Elztal südlich der Ortenau, der bis vor die Tore Ulms lief. (Karte: FVA Freiburg)
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Warum fühlen sich Großraubtiere wieder in Mittelbaden wohl? Welchen Gefahren sind sie ausgesetzt? Und: Wie müssen Menschen reagieren, wenn sie auf einen Wolf treffen?

Hören Sie dazu das Interview mit dem Wildbiologen Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg.
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Micha Herdtfelder erklärt, wo Wölfe in der Ortenau leben können und wie sich Menschen bei einer Begegnung verhalten sollen.

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Micha Herdtfelder berichtet, warum die Ansiedlung der Luchse so schwierig ist und wie viele der "Pinselohren" im Schwarzwald leben können.

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Seit der Antike ist der Wolf Bestandteil von Sagen und Legenden. In Erzählungen aus unserer Region spielt er meist eine unrühmliche Rolle. Dabei spiegelt sich die Angst unserer Vorfahren vor dem geheimnisumwitterten Raubtier wider.
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DIE WOLFSKAPELLE IN DURBACH

Auf einem Bergrücken. zwischen dem Kapelleck-Hof und dem Springbauernhof in Durbach erinnern noch heute einige Überreste an die Wolfskapelle. Die historischen Ursprünge sind unbekannt. Aber es gibt eine Legende.

Demnach spazierte eine Edelfrau vom Schloss Staufenberg durch den Wald. Plötzlich wurde sie von Wölfen angegriffen. Die vornehme Dame konnte sich vor der Meute auf einen Baum retten. Doch die Wölfe umkreisten die Zuflucht und warteten geduldig auf ihr Opfer.

In ihrer verzweifelten Lage gelobte die Edelfrau, an Ort und Stelle eine Kapelle zu stiften, sollte sie vor den Wölfen gerettet werden. Und tatsächlich: Auf einmal entfernten sich die Tiere.

Das Edelfräulein kletterte vom Baum herunter und lief auf die andere Seite des Berges auf Ödsbacher Gebiet. Bei ihrer Flucht wurde sie abermals von den Wölfen verfolgt und rettete sich mit einem beherzten Sprung.

Zum Dank für ihre Rettung stiftete das Edelfräulein die Wolfskapelle. Diese verfiel im Lauf der Zeit und wurde 1873 abgebrochen.



DER WOLFSBRUNNEN BEI SEEBACH

Der Wolfsbrunnen liegt an einer Biegung der Straße zwischen Seebach und der Schwarzwaldhochstraße. Einer Legende zufolge stieg die Tochter eines Bauern immer wieder gegen Abend zu dem Brunnen, um Wasser zu holen. Dabei wurde sie vom Hofhund begleitet.

Der Weg war gefährlich. Die Jungfrau fürchtete sich vor den Wölfen im nahen Wald. Angst hatte sie auch vor dem Jäger Hugo, der ihr nachstellte.

Eines Tages war der Hund krank und die junge Frau musste allein zum Brunnen gehen. Kurz vor dem Ziel sah sie plötzlich die Augen eines Wolfs aufblitzen. Das Raubtier sprang auf sie zu. Doch im letzten Augenblick tötete der Jäger den Wolf mit einem Pfeil aus der Armbrust.

Der Retter forderte einen Kuss zum Lohn und packte das Mädchen, das sich aber mit aller Kraft aus der Umarmung losreißen konnte. Als die Jungfrau flüchten wollte, rollte plötzlich vom Berg ein großer Fels und tötete den Jäger.
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Die zurückgekehrten Raubtiere freuen nicht jeden. Schäfer und Landwirte fürchten um ihre Herden. Sie klagen über horrende Kosten für Schutzmaßnahmen und befürchten, dass viele kleine Betriebe die Schaf- und Ziegenhaltung aufgeben werden. Dabei sind die Tiere unentbehrlich für die Pflege der Schwarzwaldtäler. Wolf und Schaf - gibt es nur Platz für einen?
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Im Juli 2015 wurde ein Lamm bei Gutach gerissen - der Verdacht fiel auf einen Luchs.
Im Juli 2015 wurde ein Lamm bei Gutach gerissen - der Verdacht fiel auf einen Luchs.
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Wölfe und Luchse jagen auf verschiedene Weise. Ihr Gefahrenpotenzial für Nutztiere ist unterschiedlich groß - und somit auch ihre Wahrnehmung unter den Landwirten.

Von den beiden Raubtieren, die 2015 in die Ortenau zurückkehrten, könnten Wölfe den deutlich größeren Schaden anrichten. "Das Jagdverhalten bei Wölfen in Bezug auf Nutztiere ist individuell verschieden", erklärt Wildbiologe Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg. Manchmal lebten Wölfe in der Nähe von Schafherden, ohne dass es zu nennenswerten Übergriffen kommt. In anderen Extremfällen reiße ein einzelner Wolf innerhalb weniger Monate dutzende Schafe.

Bis zu 30 tote Schafe pro Attacke

Die Zahl der getöteten Tiere pro Attacke variiere ebenfalls. "Es kann sein, dass ein Wolf in eine Herde geht, ein Tier reißt, frisst und dann wieder weg ist", erklärt Herdtfelder. Doch nicht alle Angriffe liefen so glimpflich ab. Das gelte besonders dann, wenn die Schafe keine Möglichkeit haben, auszuweichen und immer wieder am Wolf vorbeiziehen müssen. Dadurch erwache beim Wolf jedes Mal der Beutetrieb. "Dann kann es sein, dass mehrere Tiere getötet werden." Wenn mehrere Wölfe eine Herde angreifen, könnten so 20 bis 30 Schafe ihr Leben lassen.

Die Tiere, die eine Wolfsattacke überleben, bleiben häufig verstört zurück. Sie sind nervös, schreckhaft und fliehen auch vor den Landwirten.

Dennoch stehen, statistisch gesehen, Nutztiere ganz unten auf dem Speiseplan der Wölfe. Das hat die Langzeitauswertung von etwa 2000 Wolfslosungen (Kot) in der Lausitz zwischen 2001 und 2009 ergeben. Dabei konnten Wissenschaftler die Ernährungsgewohnheiten der Raubtiere analysieren. Mehr als die Hälfte der gerissenen Tiere waren demnach Rehe (52,1%), gefolgt von Rothirschen (24,7%) und Wildschweinen (16,3%). Überreste von Nutztieren ließen sich nur zu 0,8% in den Losungen nachweisen.

Luchse kehren zu gerissenen Tieren zurück

Luchse wiederum sind Einzelgänger und jagen allein. Seltener als Wölfe schlagen sie bei Schafen oder Ziegen zu. Tun sie es doch, reißen sie nur ein Tier. Dieses fressen sie nicht sofort, sondern kehren in den folgenden Nächten immer wieder zu ihrer Beute zurück.

Genauso verfahren sie auch bei Wildtieren, die sie etwa im Wald reißen. Das machen sich Biologen zunutze: Besteht ein Verdacht auf Luchsriss, bringen sie Kameras in der Nähe der Beute an. Kommt der Luchs zurück, schießt die Kamera automatisch ein Bild von der Raubkatze.

Hat der Luchs schon in Gutach zugeschlagen?

Einen ersten Verdachtsfall gibt es schon in der Ortenau. Im Juli 2015 wurde im Gutacher Steinenbachtal ein Lamm gerissen. Erste Anzeichen deuteten auf einen Luchs als Täter hin. Wildtierexperten installierten zur Überprüfung vor der Schafweide beim Müllerchristenhof eine Wärmebildkamera. Doch die war defekt.

Mitarbeiter der FVA haben das Lamm untersucht. Das Ergebnis: "Das Schaf wurde definitiv nicht von einem Luchs gerissen", bestätigte Micha Herdtfelder im Gespräch mit der Mittelbadischen Presse. "Das ist auszuschließen." Es fehle der für Luchse (und Wölfe) typische Tötungsbiss an der Kehle des Tiers.

Trotzdem ist eine Diskussion entbrannt, wie Landwirte sich und ihre Tiere am besten vor den gefährlichen neuen Nachbarn schützen können.
Im Juli 2015 wurde ein Lamm bei Gutach gerissen - der Verdacht fiel auf einen Luchs.
Im Juli 2015 wurde ein Lamm bei Gutach gerissen - der Verdacht fiel auf einen Luchs.
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Wie Schaf- und Ziegenherden vor Wölfen geschützt werden können, ist aus der Sicht von Wildbiologen klar. Der Ausbau der Zäune um die Koppeln ist eine unersetzliche Maßnahme. "Dabei ist wichtig, dass die Zäune dicht am Boden abschließen oder dass bestenfalls unten noch eine Elektrolitze (Draht, Anm. d. Red.) vorhanden ist", erklärt Wildbiologe Micha Herdtfelder von der FVA in Freiburg. Der Grund: Wölfe springen nicht über Zäune, sondern versuchen, unten durchzukriechen. Das unterscheidet sie von Luchsen. "Auch die normalen Elektronetze sind schon eine gute Abschreckung gegen den Wolf", sagt Herdtfelder.

In der Praxis ist es teuer und langwierig, diese Maßnahmen umzusetzen. Einen hunderprotzentigen Schutz vor Wölfen gibt es nicht, da sind sich Schäfer einig. Reinhard Bischler, der in Gengenbach-Fußbach 450 Schafe hält, schützt seine Tiere derzeit mit Netzen und einem elektrischen Drahtzaun. Der wurde vom Land Baden-Württemberg und der Kommune bezuschusst.

Schwieriger Schutz an Steillagen

"Teile meiner Weideflächen liegen an Steillagen von 45 Prozent", berichtet der Schäfer. "Da kann man kaum gehen." Schwere und hohe Netze würden dort im Winter bei schlechtem Wetter umfallen. "Dann ist der Schutz auch weg."

Schäfer, die auf Nummer sicher gehen wollen, müssen zu weiteren Maßnahmen greifen, sagt Micha Herdtfelder. Eine davon sind Herdenschutzhunde (siehe Bild oben, Foto: Anette Wolff /NABU). "Doch das ist leichter gesagt als getan", bekennt der FVA-Wissenschaftler. "Die Hunde müssen gut ausgebildet werden."

Hunde zur Wolfsabwehr

Schäfer Reinhard Bischler hat seit zwei Jahren einen Herdenschutzhund. Doch der sei nur bedingt einsetzbar. "Wenn der sich in der Nähe eines Wohngebiets nachts meldet, fühlen sich die Anwohner gestört", sagt Bischler. 75 Kilo wiege der Rüde. "Vor so großen Hunden hat die Bevölkerung Angst." Außerdem reiche ein einzelner Hund nicht aus. Für einen Betrieb seiner Größe bräuchte er eigentlich 14 Hunde. Das würde 14.000 Euro kosten. "Wo soll ich das Geld hernehmen?"

Die Sorgen werden verständlicher , wenn man weiß, dass Schäfer in Baden-Württemberg im Schnitt auf einen Stundenlohn von nur 4,30 Euro kommen. Daran dürfte auch die Existenz eines Fonds nichts ändern, der von Naturschutzverbänden finanziert wird und bei einem Wolfsriss Schafhalter entschädigen soll. Der könnte laut Bischler besonders den ideellen und persönlichen Wert der Schafe nicht ersetzen.
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Reinhard Bischler ist Schäfer in Gengenbach-Fußbach. Er hält 450 Schafe auf 45 Hektar Weidefläche - vielfach in Steillagen. Das macht effektiven Schutz schwierig und teuer.

Im Interview berichtet Bischler von den Sorgen der Schafzüchter im Kinzigtal und den dramatischen Folgen, die seiner Meinung nach die Rückkehr der Wölfe haben könnte.

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Jäger gelten, ebenso wie Schäfer, als Gegner der Wölfe, Naturschützer als deren Befürworter. Auch in der Ortenau gibt es Konfliktstoff zwischen den beiden Gruppen - und überraschende Gemeinsamkeiten.
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Ginge es nach dem Nabu-Landesvorsitzenden André Baumann, würden die Wölfe mit ihrer Rückkehr nach Baden-Württemberg noch etwas warten.
Ginge es nach dem Nabu-Landesvorsitzenden André Baumann, würden die Wölfe mit ihrer Rückkehr nach Baden-Württemberg noch etwas warten.
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André Baumann sitzt aufrecht auf seinem Stuhl im Nebenraum einer Gaststätte in Gengenbach. In wenigen Minuten wird der Nabu-Vorsitzende Baden-Württembergs zu einer Exkursion mit Schäfern und Wildbiologen in die sanfte Hügellandschaft des Kinzigtals aufbrechen. Gemeinsam wollen sie erkunden, wie die Weiden vor Wölfen geschützt werden können. Landwirte und Jäger werden Baumann fragen: Wie haltet ihr es mit dem Wolf? Ihr, die Naturschützer, die das gefährliche Raubtier wieder im Schwarzwald ansiedeln wollt?

Baumann - randlose Brille, gekleidet mit einem dunkelgrünen Pullover und Outdoor-Hose - beugt sich ein wenig nach vorne. "Hier im Kinzigtal gibt es Landschaften, wie wir sie uns wünschen", sagt er. "Dafür brauchen wir die Landwirte." Denn: "Nur mit der Beweidung können die Flächen offen gehalten werden." Baumann will deeskalieren. Er zeigt Verständnis für die Sorgen der Schäfer, die sich vor ihren neuen Nachbarn in Wald und Feld fürchten.

Unvorhersehbare Folgen für das Ökosystem

"Offenhaltung der Flächen", darauf legen Schäfer, Lokalpolitiker und Naturschützer gleichermaßen Wert. Offenhaltung bedeutet, dass Schafe, Kühe und Ziegen die Wiesen der Ortenau beweiden und damit verhindern, dass die Täler mit Gras und Gebüsch zuwuchern. Schäfer befürchten, dass der Wolf viele Betriebe zum Aufgeben zwingt. Dann könnte die Landschaft zuwachsen.

Naturschützer wie Baumann stecken deshalb in einem Dilemma: Einerseits wollen sie die Rückkehr von Wolf und Luchs. Andererseits fordern sie sogar mehr Schafe in der Landschaft. Baumann erkennt den Widerspruch. Er bekennt: "Ich habe keine Patentlösung."

Wenig später steht der Nabu-Landesvorsitzende vor dem Hof von Roland Wussler in Gengenbach-Reichenbach. Es ist ein warmer Tag im September. Wussler zeigt auf das steile Gelände vor seinem Anwesen, wo hinter einem hohen Zaun Damwild weidet. "Mein Vater hat mit der Zucht 1987 begonnen", berichtet Wussler. Viel Geld könne man mit den Tieren nicht verdienen. "Es geht allein um die Offenhaltung der Flächen."

"Es sind noch zu viele Fragen offen"

Wussler ist bekennender Wolfsgegner. Wenn die Raubtiere eines oder mehrere seiner Tiere reißen, würde er sich überlegen, mit der Damwild-Haltung aufzuhören. Er sieht mit dem Wolf auch Probleme auf die Tourismus-Branche der Ortenau zukommen. Wussler selbst vermietet Zimmer an Feriengäste, darunter viele Familien mit Kindern. "Die werden vom Wolf abgeschreckt."

Der Nabu-Landesvorsitzende Baumann blickt auf das Gehege mit Damwild. Man müsse versuchen, Nutztierhaltung im Freien und die Präsenz der Großraubtiere zu verbinden, fordert er. "Ich sehe sogar Chancen für den Tourismus, etwa wenn Naturliebhaber extra für die Wölfe kommen."

Aber er schränkt ein: "Ich wünsche mir den Wolf im Augenblick nicht herbei. Es sind noch zu viele Fragen offen." Mit dieser Aussage dürfte Baumann nicht zuletzt bei den Jägern auf offene Ohren stoßen.



Ginge es nach dem Nabu-Landesvorsitzenden André Baumann, würden die Wölfe mit ihrer Rückkehr nach Baden-Württemberg noch etwas warten.
Ginge es nach dem Nabu-Landesvorsitzenden André Baumann, würden die Wölfe mit ihrer Rückkehr nach Baden-Württemberg noch etwas warten.
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Georg Schilli ist Kreisjägermeister der Ortenau und blickt differenziert auf das "Problem" Wolf.
Georg Schilli ist Kreisjägermeister der Ortenau und blickt differenziert auf das "Problem" Wolf.
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Georg Schilli - ein freundlich lächelnder, gelassener Mann - ist Kreisjägermeister in der Ortenau. "Die Reaktion der Jäger auf den Wolf ist sehr emotional", sagt er. Und gespalten. Viele Jäger seien zugleich Landwirte. Sie haben somit einen Grund mehr, die Rückkehr der Großraubtiere abzulehnen. Schilli selbst hält zehn Ziegen in einer steilen und schwer zu schützenden Lage. Andere Jäger sehen die Entwicklung weniger kritisch. Sie halten Wölfe für eine Bereicherung der Artenvielfalt.

Aber gehören die Raubtiere überhaupt in die Wälder unserer Region? "Wenn die Wölfe von selbst kommen, dann gehören sie wohl hierher", sagt Schilli. "Offenbar sind sie mit dem Biotop in diesem Fall zufrieden." Das Gleiche gelte für den Luchs. "Wenn er von sich aus kommt, dann heißen wir Jäger ihn herzlich willkommen."

Streng geschützt - und trotzdem gefährdet

Der Wolf ist, ebenso wie der Luchs, in Deutschland eine besonders und streng geschützte Tierart. Er darf weder getötet noch verletzt oder verfolgt werden. Die Beschädigung seiner Ruhestätten ist ebenfalls verboten. Nur in Ausnahmefällen - etwa bei erheblichen Schäden in der Landwirtschaft oder bei Gefahren für die Menschen - können die Schutzbestimmungen aufgehoben werden.

Trotz der strengen Gesetze kommt es in Deutschland immer wieder zu illegalen Abschüssen. Allein in Brandenburg traf es seit 1990 acht Tiere. Immer wieder stehen in solchen Fällen Jäger unter Verdacht.  Wie ist die Stimmung unter der Ortenauer Jägerschaft? "Meinem Eindruck nach kann ich ausschließen, dass die hiesigen Jäger Wölfe illegal schießen wollen", bekräftigt Kreisjägermeister Schilli. Wer es dennoch tut, müsste mit einer Strafe und dem Entzug der Jagdlizenz rechnen.

Wenig Sorgen diesbezüglich macht sich auch Wildbiologe Micha Herdtfelder. "Die Gefahr illegaler Abschüsse schätze ich als nicht sehr hoch ein. Wir sind mit den Landwirten und Jägern in einem sehr guten Dialog." Die weitaus größere Gefahr für alle Wildtiere stellten die Straßen dar. So würden in Baden-Württemberg jährlich etwa 20 000 Rehe überfahren.

Folgen für das Ökosystem

Doch anderswo in Deutschland - vor allem dort, wo Wölfe immer zahlreicher vorkommen - schwindet unter den Jägern das Verständnis für den strengen Schutz der Raubtiere. So forderte der Brandenburger Landesjagdverband im Mai 2015 die Abschusserlaubnis für Wölfe. Begründet wurde die Forderung mit der Zunahme der Population und dem Schaden, den die Wölfe bei Nutztieren anrichteten. Nach Angaben des Landesamts für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz leben in Brandenburg zur Zeit 14 Wolfsrudel und fünf weitere Einzeltiere.

Dabei hat die Präsenz von Großraubtieren in den Wäldern Folgen für das Verhalten etwa von Rehen. Die Tiere werden scheuer und rotten sich zu größeren Gruppen zusammen - zum Ärger der Jäger. "Aus anderen Regionen gibt es Berichte, dass Jäger länger bis zum Abschuss warten müssen", erklärt Schilli.

Kreisjägermeister: "Wir sind kein Zoo"

Der Kreisjägermeister spricht sich zudem gegen die gezielte Ansiedlung der beiden Großräuber im Schwarzwald aus. "Wir sind schließlich kein Zoo." Auch was die Population anbelangt, macht der oberste Weidmann der Ortenau eine Einschränkung: "Wenn Naturschützer sagen, dass im Schwarzwald mehrere hundert Wölfe leben könnten, dann ist das falsch."

Georg Schilli ist Kreisjägermeister der Ortenau und blickt differenziert auf das "Problem" Wolf.
Georg Schilli ist Kreisjägermeister der Ortenau und blickt differenziert auf das "Problem" Wolf.
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Links des Rheins gibt es schon seit 2011 wieder Wölfe. Experten wie der Elsässer Historiker und Wolfsaktivist Thomas Pfeiffer rechnen damit, dass die Tiere jederzeit nach Baden-Württemberg einwandern können.

Auch nach Rheinland-Pfalz ist das Raubtier zurückgekehrt: Ende August 2015 hat eine Försterin im südlichen Pfälzerwald bei Ludwigswinkel - direkt an der Grenze zum Nordelsass - ein gerissenes Reh gefunden. Der Täter wurde dank einer DNA-Spur rasch überführt: Es war ein Wolf.
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